"Digitale Sonderausstellung" 2020/2021 - Weihnachtskrippen aus Mitteleuropa

Kastenkrippen aus Grulich (Tschechische Republik)

Grulicher Krippen: Die Weihnachtsgeschichte in böhmischen Dörfern

 

In einem Kasten, gut geschützt durch eine Glasscheibe, befindet sich der Krippenberg. Diese Form des Krippenbaus ist typisch für das Grulicher Ländchen, einer Gegend im nordöstlichen Böhmen dicht an der Grenze zu Polen. Die Gestaltung ist geprägt von einer Dorf- oder Stadtsilhouette, bei der oft eine fantasievolle Vorstellung von Bethlehem oder Jerusalem mit einheimischen Häusern verschmilzt und in eine böhmische Berglandschaft eingebettet ist. Neben den Figuren der biblischen Weihnachtsgeschichte ist der Krippenkasten von zahlreichen weiteren Menschen bevölkert: Bäcker, Metzger, Schornsteinfeger, Jäger, Musikanten, dazu viele Frauen und Kinder. Im Gegensatz zu den orientalisch gekleideten Figuren der Bibel tragen sie landestypische Tracht und geben der Szenerie eine ganz eigene, von Lokalkolorit geprägte Färbung.

 

In der Kastenkrippe werden die geografischen Grenzen aufgehoben: Die Menschen der Region kommen zusammen mit den Hirten und den Weisen zur Krippe. Jesus ist für alle auf die Welt gekommen, ist die zentrale Aussage. Manchmal werden die Figuren auch als „Bringemannln“ bezeichnet, denn sie kommen nicht mit leeren Händen zur Krippe. Jeder schenkt das, was er kann: ein Brot, einen Fisch, ein Fass mit Wein. Über der Geburtsszene schwebt stets der Verkündigungsengel mit einem Spruchband: Gloria in Excelsis Deo – Ehre sei Gott in der Höhe!

 

Nachdem das Aufstellen von Weihnachtskrippen in Kirchen durch Kaiser Joseph II. verboten worden war, entwickelte sich in der Gegend um Grulich Ende des 18. Jahrhunderts eine rege Holzschnitzerei, die bis zur Massenproduktion ausgebaut wurde. Die Figuren wurden oft nach vorgegebenen Modellen in Familienbetrieben hergestellt: Die Männer schnitzten und die Frauen und Kinder sorgten für die typische polychrome Bemalung in landestypischen Farben. 


Kastenkrippe (Österreich)

Fotos: Daniel Speer

Die Stadt mit ihrer mächtigen Mauer und den dichtgebauten Häusern wird im Hintergrund nur angedeutet. Sie muss sich zurückhalten. An belebten Markttagen strömen die Menschen in die Stadt hinein, aber hier ist es genau umgekehrt. Etwas ist anders als an gewöhnlichen Tagen und doch sieht man Alltagsmenschen, die ihr Vieh versorgen, Früchte anliefern, Körbe und Taschen herumtragen.

 

Alles flieht zur Krippe hin. In einem einfachen Steinverhau finden wir Maria und Josef mit dem Jesuskind, dazu Ochs und Esel. Die Menschen bringen ihre Gaben, knien nieder. Manche sind noch auf dem Weg. Bei den Hirten auf der linken Seite weiß man nicht so recht, ob sie gerade die Geburt des Gottessohns verschlafen oder von der Botschaft des Verkündigungsengels, der auf der anderen Seite hoch über der Szenerie seine Hand zum Segensgruß ausgebreitet hat, geplättet sind.

 

Die Kastenkrippe entstand vermutlich im 19. Jahrhundert in Österreich. Den insgesamt 17 Figuren und 15 Tieren sieht man zwar Altersspuren an. Da aber die Gebäude und die Landschaft 1991 umfassend erneuert wurden, wirkt alles frisch und verleiht der Krippe zusätzlich einen lebendigen Charakter. Markant an den kleinen, nicht einmal 5 cm großen Figuren sind die Hüte. Die Holzfiguren sind keine kunsthandwerklichen Meisterstücke, verkörpern aber gerade dadurch die Tradition der Volkskunst beim Krippenbau.


Geschnitzte Krippenfiguren aus dem Erzgebirge (Deutschland)

Foto: Simon Speer

Diese erzgebirgischen Krippenfiguren sind eher grob schnitzt und schlicht gefasst. Trotzdem - oder gerade deshalb - kommt das Wesentliche zur Geltung: Maria und Josef knien an der Krippe, in der das neugeborene Jesuskind liegt. Von der einen Seite kommen die drei Könige mit Ihren Geschenken zur Krippe. Von der anderen Seite kommen die Hirten; einer hat ein Schaf dabei (dieser Hirte und das Schaf sind in einer Figur geschnitzt), ein anderer spielt auf seiner Hirtenflöte. Die Szene wirkt andächtig, friedlich, unaufgeregt - gerade zu so, als wäre dieses einmalige und geschichtsveränderte Ereignis der Menschwerdung Gottes etwas völlig normales.

 

Die Häuserkulisse im Hintergrund wurde nachträglich ergänzt.